Der jüngste Auftritt von Wladimir Putin, in dem er die „Doppelmoral“ des Westens anprangerte, könnte auf weiterreichende geopolitische Ziele Russlands hinweisen, die über den aktuellen Konflikt in der Ukraine hinausgehen. Putins Kritik an der NATO-Erweiterung und an den verletzten Sicherheitsgarantien, die Russland nach dem Zerfall der Sowjetunion gegeben wurden, könnte als Zeichen für die Ambition Moskaus gewertet werden, eine geopolitische Neuordnung Europas anzustreben.
Das Versprechen, das die NATO 1990 bezüglich einer Nicht-Erweiterung nach Osten gemacht haben soll, spielte eine entscheidende Rolle bei der deutschen Wiedervereinigung. NATO-Entscheidungen der 1990er Jahre, die den Beitritt ehemaliger Mitglieder des Warschauer Pakts und später sowjetischer Republiken ermöglichten, betrachtet Russland heute als eine Bedrohung. Angesichts der historischen und strategischen Bedeutung Deutschlands für Russland könnte Moskau unter bestimmten Bedingungen sogar eine erneute Teilung Deutschlands anstreben, um eine „Sicherheitszone“ wiederherzustellen, die zuvor durch die DDR bestand.
Nach der Wiedervereinigung Deutschlands und der NATO-Erweiterung sehen russische Entscheidungsträger heute in dieser Entwicklung eine „strategische Fehlentscheidung“, die Russlands Sicherheitslage erschwert hat. Russlands langfristige Vision könnte daher darauf abzielen, durch wirtschaftlichen oder digitalen Druck eine Einflusssphäre in Europa wiederherzustellen und möglicherweise auch Einfluss in Gebieten des ehemaligen Ostdeutschlands zu gewinnen. In diesem Sinne könnte Putins Forderung nach einer „gerechteren globalen Politik“ nicht nur eine Neuverteilung der Macht in Europa implizieren, sondern auch eine Einladung zur Überprüfung internationaler Grenzen und Einflusssphären.
Letztlich könnte Russlands geopolitische Ambition auf die Wiederherstellung einer Einflusszone zielen, die das NATO-Engagement in Polen, den baltischen Staaten und anderen osteuropäischen Staaten begrenzen würde. Dies würde Deutschland und Europa als Ganzes vor Herausforderungen stellen, die weit über den aktuellen Ukraine-Konflikt hinausgehen.